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Pflegebedürftigkeit: Vom Antrag bis zum Pflegegrad.

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Wer in Deutschland Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung in Anspruch nehmen will, muss zunächst prüfen lassen, welchem Pflegegrad seine Einschränkungen entsprechen. Dazu müssen Betroffene einen Antrag bei der zuständigen Pflegekasse stellen und eine Pflegebegutachtung durch den Medizinischen Dienst durchlaufen. Den Verlust der eigenen Selbstständigkeit überprüfen zu lassen, fällt vielen Menschen schwer – und das Verfahren ist für die Betroffenen oftmals eine große Herausforderung. Expert:innen der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) informierten in der Sprechzeit zu allen Fragen rund um die Pflegebegutachtung. Hier die wichtigsten Themen im Überblick.

Was muss ich bei der Antragstellung beachten?

Jana Mehnert: Es kommt nicht in erster Linie auf Krankheiten und Behinderungen an, sondern darauf, wie sehr jemand dadurch in seiner Selbständigkeit beeinträchtigt ist. Den Antrag können Sie oder eine von Ihnen bevollmächtige Person bei der Pflegekasse stellen, die Ihrer zuständigen Krankenkasse angegliedert ist. Der Antrag kann formlos schriftlich oder auch telefonisch gestellt werden.

Wie viel Zeit vergeht zwischen Antragstellung und Besuch des Medizinischen Dienstes?

Raquel Reng: Das sollte relativ schnell gehen, denn die Pflegekasse muss innerhalb von 25 Arbeitstagen einen Bescheid über den Pflegegrad erteilen. Dauert es länger, muss sie für jede angefangene Woche der Fristüberschreitung 70 Euro zahlen. Tipp: Ein Hinweis an die Kasse auf die Zahlungspflicht beschleunigt längere Verfahren.

Ich habe nach Antragstellung einen Fragebogen von der Pflegekasse bekommen. Worauf muss ich beim Ausfüllen achten?

Isabel Gruner-Babic: Sie sollten nicht nur angeben, welche Schwierigkeiten Sie haben, sondern auch, wie Ihnen andere Menschen dabei helfen, diese zu überwinden. Ein Beispiel: Es reicht nicht aus, zu beschreiben, dass Sie Probleme beim Treppensteigen haben. Teilen Sie stattdessen der Pflegekasse mit, dass Sie immer jemand stützen muss, damit Sie auf der Treppe nicht stürzen.

Bei meiner Mutter steht der Besuch des MD zur Pflegebegutachtung an. Wie können wir den Termin vorbereiten?

Marko Schröder: Am wichtigsten ist, dass Ihre Mutter bei der Begutachtung nicht allein ist. Mindestens eine Person, die sie im Alltag unterstützt, sollte dabei sein, um ihre Angaben zu bestätigen und zu ergänzen. Sie sollten die Mutter nicht extra „fein machen“ oder die Wohnung besonders schön aufräumen. Vielmehr soll eine realistische Alltagssituation gezeigt werden. Ein Beispiel: Wenn die Gutachterin morgens um 9 Uhr kommt und Ihre Mutter um diese Zeit normalerweise noch im Schlafanzug ist, dann sollte sie auch so bleiben.

Was wird genau beim Besuch des MD begutachtet?

Jana Mehnert: Die Begutachtung bezieht sich auf sechs Lebensbereiche. Innerhalb dieser Lebensbereiche werden einzelne Kriterien abgefragt. So gibt es zum Beispiel im Lebensbereich „Mobilität“ das Kriterium „Treppensteigen“. Am wichtigsten ist der Lebensbereich der Selbstversorgung: Er umfasst alles, was am Körper passiert zum Beispiel das Waschen, Anziehen und Essen.

Ich verstehe manche Fragen nicht, die bei der Begutachtung gestellt werden. Gibt es dazu eine Erläuterung?

Raquel Reng: Gute Hinweise finden Sie auf der Internetseite des MD unter www.medizinischerdienst.de/versicherte/pflegebegutachtung. Dort sind zudem unter „Weitere Informationen“ die Richtlinien zur Pflegebegutachtung veröffentlicht, die ausführlich beschreiben, wie begutachtet wird.

Wie geht es nach dem Besuch durch den MD weiter?

Justyna Sikora-Arnold: Innerhalb der sechs Lebensbereiche werden für jedes Kriterium Punkte vergeben, je nachdem, wie selbständig die Person noch ist, die begutachtet wird. Anschließend werden die Punkte gewichtet. Der Bereich der Selbstversorgung fließt mit 40 Prozent in die Gesamtbewertung ein. Je nach Gesamtpunktwert wird der Pflegegrad ermittelt. Das Ergebnis teilt der MD der Pflegekasse mit. Diese erlässt einen Bescheid, der an die antragstellende Person geht.

Ich verstehe das Ergebnis der Pflegebegutachtung nicht – an wen kann ich mich wenden?

Isabel Gruner-Babic: An die Pflegestützpunkte, die es in den meisten Bundesländern gibt. Auch die UPD erläutert Ihnen gerne den Bescheid der Pflegekasse.

Ab wann habe ich Anspruch auf Leistungen?

Marko Schröder: Anspruch auf Leistungen haben Sie ab Antragstellung, frühestens aber ab dem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch vorliegen, also der Pflegegrad besteht.

Ich habe wegen eingeschränkter Lungenfunktion einen GdB von 80. Was bedeutet das für den Antrag auf Pflegebegutachtung?

Jana Mehnert: Pflegebedürftigkeit ist nicht deckungsgleich mit Behinderung. Es kann aber sehr gut sein, dass Sie aufgrund Ihrer Behinderung pflegebedürftig sind. Dazu muss ermittelt werden, inwieweit die gestörte Lungenfunktion Sie in Ihrer Selbständigkeit einschränkt, so dass Sie Hilfe von anderen Menschen brauchen.

Warum gibt es keine Punkte, wenn ich meinen Haushalt nicht mehr schaffe? Zählt das nicht zur Selbstständigkeit?

Justyna Sikora-Arnold: Doch, allerdings gibt es dafür keine eigenen Kriterien und Punkte. Vielmehr wird dies in den sechs begutachteten Lebensbereichen mitberücksichtigt.

Mein Vater wurde mit 45 Punkten in Pflegegrad 2 eingestuft. Ab 47,5 Punkte gilt Pflegegrad 3. Wir sind der Meinung, das Pflegegutachten enthält Fehler. Sollen wir Widerspruch einlegen?

Raquel Reng: Je weniger Punkte zum gewünschten Pflegegrad fehlen, desto weniger schwierig sollte es sein, einen Widerspruch zu begründen. Sie können das Pflegegutachten Kriterium für Kriterium durchgehen und angeben, wo überall aus Ihrer Sicht zu wenig Punkte vergeben wurden. Den Widerspruch können Sie innerhalb von einem Monat nach Erhalt des Bescheids einlegen.

Mein Zustand hat sich verschlechtert. Kann ich einen Antrag auf erneute Begutachtung stellen?

Marko Schröder: Sie können jederzeit einen Höherstufungsantrag stellen und eine neue Begutachtung beantragen. Tipp: Mit einem ärztlichen und/oder pflegefachlichen Attest vom Pflegedienst können Sie Ihren Antrag begründen.

Die Fragen der Ratsuchenden wurden von den Expert:innen der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland beantwortet:

• Raquel Reng; Volljuristin, Expertin Pflege

• Jana Mehnert; Beraterin für Sozialversicherungsrecht

• Isabel Gruner-Babic; Beraterin für Sozialversicherungsrecht

• Justyna Sikora-Arnold; Beraterin für Sozialversicherungsrecht

• Marko Schröder; Berater für Sozialversicherungsrecht

Weitere Informationen unter www.patientenberatung.de

Übrigens bietet auch die Stadt Frankfurt mit dem Pflegestützpunkt eine zentrale wohnortnahe Beratungsstelle rund um das Thema Pflege für die Bürger:innen in Frankfurt am Main. Der Pflegestützpunkt versteht sich als Anlaufstelle für Menschen mit einem aktuellen oder zukünftigen Pflege- und Unterstützungsbedarf/ Behinderung sowie deren Angehörige, Bekannte und Freund:innen. Die Beratung ist wettbewerbsneutral und kostenfrei, die Informationen des Pflegestützpunktes sind unabhängig und verbraucherorientiert. Eine zentrale Aufgabe des Pflegestützpunkts der Stadt Frankfurt ist die „Lotsenfunktion“ in das bestehende und gut etablierte Beratungs- und Vermittlungssystem der Stadt.
Die Beratungen können persönlich, telefonisch (0800/ 55893659, per Mail (
pflegestuetzpunkt@frankfurt.de), per Videokonferenz oder im Rahmen eines Hausbesuches stattfinden. Pflegestützpunkte beraten Versicherte der gesetzten Kranken- und Pflegekassen.

WICHTIG: Der Pflegestützpunkt ist keine Institution, die über Leistungen entscheiden und sonstige Genehmigungen erteilen kann.

Die Räumlichkeiten des Pflegestützpunktes sind barrierefrei.Weitere Informationen: Pflegestützpunkt Frankfurt am Main | Stadt Frankfurt am Main